Vita

„Meine Phantasie funktioniert auch in Regensburg …“

Auszüge aus einem Gespräch

mit dem Regisseur und Schriftsteller Joseph Berlinger

Von Peter Lang / Kulturjournal Regensburg 2012

 

[…]

Herr Berlinger, gibt es Interviewfragen, die Sie tierisch aufregen?

Was frage ich besser nicht?

„Herr Berlinger, hat es Sie nie gereizt, in eine der Kulturmetropolen zu ziehen? Warum sind Sie in der Provinz geblieben?

 

Jetzt machen Sie mich aber neugierig. Warum sind Sie geblieben?

Regensburg liegt gar schön. Da stimm ich dem alten Goethe zu. Und die Provinz ist in den Köpfen, also überall. Und meine Phantasie funktioniert auch in Regensburg.

 

Welche Berufsbezeichnung trifft am ehesten auf Sie zu? Autor, Regisseur, Poet?

Der Poet sollte sich mit dem 19. Jahrhundert erledigt haben. Wenngleich man in Regensburg manchmal den Eindruck hat, man lebe in einem romantischen Biedermeier. Das lässt sich touristisch gut vermarkten. Was ich beruflich mache, lässt sich am besten mit „Regisseur und Schriftsteller“ beschreiben. Und ich wechsle hin und her zwischen Radio- und Theaterprojekten.

 

Wie war Ihr Weg in die Literatur? Gab es da ein Schlüsselmoment?

Ja. Und es trug den Namen Friedl Brehm. Das war ein Alternativverleger aus Feldafing bei Starnberg, der junge Autoren gefördert hat. Er war Kettenraucher und liebte den Rotwein, die Literatur und junge Männer. Aber auch wenn man nicht schwul war, und das waren die meisten seiner Autoren, wurde man mit Leidenschaft von ihm verlegt.

 

Was war denn Ihr erstes Werk, das bei Herrn Brehm erschien?

Es war ein kleiner Gedichtband zum Thema Fernsehen. „Wohnzimmagflimma“. Und dann kam gleich „Emerenz“, mit meinem ersten Theaterstück und einigen Auswandererbriefen der Emerenz aus Chicago.

 

Waren Sie in Ihrer Kindheit ein Karl-May-Leser? War das eventuell von Relevanz für Ihr späteres Schaffen?

In den drei Jahren meiner Internatszeit, im Alter von 11-13 Jahren, habe ich zwei Drittel der 70 Bände gelesen, meist heimlich unter der Bank während der nachmittäglichen „Studierzeit“. Es gab in dem Internat nur drei Dinge: Im Studiersaal hocken, Fußballspielen und in die Messe gehen. Letzteres zweimal am Tag. Relevant war die Karl-May-Lektüre nicht. Wenngleich mir etwas Schönes davon geblieben ist. Ich kann heute noch den Namen Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah auswendig hersagen.

 

Wenn Sie Ihre allerersten Texte aus Jugendtagen heute lesen, was fühlen Sie? Bestätigung, Mitleid, Respekt, Scham, Stolz?

Ein paar Texte gibt es, die hätte ich lieber nicht geschrieben. Ich wollte damals die Welt verbessern, und dementsprechend hölzern und missionarisch liest sich das. Aber wir wollen nicht zu streng sein und zu unseren Schwächen und Fehlern stehen. Auch wenn es manchmal schwer fällt.

 

Wenn Sie Theatertexte, Radiomanuskripte schreiben, was inspiriert Sie?

Alles, was es gibt.

 

Wie entstehen Ihre Theaterstücke? Ich erinnere mich an Ihr „SFinX“-Projekt zur Jahrtausendwende, im monumentalen Steinbruch von Keilberg, eine „Performance für vier apokalyptische Engel, einen Prediger und einen Muldenkipper“. Geben Sie Texte beispielsweise für ein Theaterstück exakt vor, oder entsteht eine Finalfassung in einem kommunikativen Prozess mit dem Ensemble?

Die meisten Menschen, auch die Künstler, haben heutzutage immer weniger Zeit und Muße. Sie wollen möglichst schnell und ohne Umweg zum Ziel kommen. Und in diesem neoliberalen turbokapitalistischen Klima, wo viele um ihr Existenzminimum kämpfen müssen, kann und will es sich kaum mehr jemand erlauben, ausgiebig herum zu spinnen. Kulturförderung gibt es ebenfalls kaum mehr für die freie Szene, also hat auch hier alles ökonomisch zu sein und fix zu gehen. In den 90er Jahren, bei meinen Stücken wie „Conquista“ oder „Blomberg“, haben wir noch viel herumexperimentiert.

 

Wie unterscheiden sich Arbeit und Herangehensweise, wenn Sie einen fremden Text auf der Bühne zu einem Stück umsetzen und wenn Sie Literatur aus eigener Produktion inszenieren?

Bei fremden Texten fühle ich mich der Autorin, dem Autor mehr verpflichtet. Zumal wenn sie noch leben. Obwohl ja eine textgetreue Inszenierung nicht automatisch zum Vorteil der Autoren ist. Oft ist sie sogar zum Nachteil. Eine dem Text „untreue“ Inszenierung bringt aber auch nur dann etwas, wenn die Regie spannend ist. Bei eigenen Geschichten bin ich rücksichtslos. Was auf der Bühne nicht intensiv ist, fliegt raus.

 

Ihre Arbeit am Turmtheater ist derzeit mit „Mei Fähr Lady“, einem Bairisch-Crash-Kurs, äußerst erfolgreich. Wer hatte die Idee zum Stück, wie kam diese Produktion zustande?

Ich hatte die Regie von „Prof. Zulleys Schlaflabor“ gemacht, und das Intendantenpaar Martin und Susanne Senke-Hofer wünschte sich nach dem Erfolg der Produktion eine Fortsetzung dieses Konzeptes „Wissenschaft im Theater“. Ich habe für die Reihe den Titel „Fröhliche Wissenschaften“ vorgeschlagen und wollte für die Folge Zwei ein richtiges Theaterstück schreiben und inszenieren. Denn der Zulley-Abend war ja eine Nummernrevue. Und so entstand diese knackige kleine Komödie „Mei Fähr Lady“. Und so kam es, dass unser zweiter Wissenschaftler dieser neuen Turmtheaterreihe, nämlich der Dialektologe Ludwig Zehetner, eine richtige Theaterrolle spielen muss. Nämlich sich selber. Und ich habe dem Dialektprofessor drei Sprachschüler vor die Nase gesetzt: eine Chinesin namens Mei Ding, die den Traum hat, auf der Fähre in Matting zu arbeiten – also „Mei Fähr Lady“ – und deshalb Bairisch lernen muss, grandios verkörpert von Eva Sixt. Und Titus Horst spielt sowohl einen französischen Altrapper, der an eine bairische Kellnerin herankommen möchte, als auch einen norddeutschen Manager, der sich in einem Dorf einen Hof gekauft hat und die Einheimischen besser verstehen will. Nach dem ersten Lesen hat Ludwig Zehetner mit meinem Stück noch nichts anfangen können, bei den Proben dann hat er Theaterblut geleckt und inzwischen leidet er, wenn wir drei Wochen Spielpause haben.

  

Was mögen Sie gern?
Die letzten Tage vor der Theaterpremiere. Wenn alles zusammenwächst: die Figuren, der Raum, das Licht, der Sound.

Was mögen Sie gar nicht?
Amaryllis-Blumenzwiebeln. So eine hätte mir im Herbst 2010 beinahe das Leben gekostet. Ich hatte sie für eine Speisezwiebel gehalten und sie mir zu meinen Nudeln angebraten. Ohne zu ahnen, dass sie hochgiftig ist.

Foto: Helmut Koch
Foto: Helmut Koch

Preise

 

  • Regensburger Kulturstiftung der REWAG
  • Kulturpreis des Kulturvereins
    Bayerischer Wald
  • Julius Neumüller Stipendium
  • Adalbert Stifter Stipendium
  • Oberpfälzer Kulturpreis
  • Kulturpreis der Stadt Regensburg